Verfasst von: Gerhard Piezinger | 13. April 2019

Binnendifferenzierung in der Praxis: Newsela

Einen radikal neuen Ansatz beim Umgang mit Texten bietet Newsela  – die Auflösung des Schwierigkeitsgrades. Hunderte von englischen Zeitungs- und Magazinartikel stehen in fünf Versionen zur Verfügung. Je einfacher das Sprachniveau, umso mehr werden verschachtelte Relativsätze aufgelöst, der Satzbau vereinfacht und fachspezifische Ausdrücke durch gemeinsprachliche ersetzt.

Newsela

Die Anspruchsniveaus sind geordnet nach der Anzahl der darin verwendeten, verschiedenen Wörter. Diese Sprach-Level können jederzeit neu ausgewählt werden.

Der Clou dabei ist, dass man den Text durch das Herunterwischen mit zwei Fingern jederzeit mit der nächst-einfacheren Version überblenden kann. Oben der einfachere, unten der komplexere Text:

 

 

Für Sprachenlehrer ist das Potenzial natürlich enorm: Will man sich mit aktuellen Texten etwas vom Lehrbuch lösen, ist es gerade in den unteren Klassen schwierig, die richtige Balance zwischen „zu schwierig“ (abschreckend) und „zu einfach“ (langweilig) zu treffen. Das uralte Problem des „Unterrichts im Gleichschritt“: Man orientiert sich an einem fiktiven Durchschnittsschüler und benachteiligt dadurch im Endeffekt sowohl die Leistungsstärkeren als auch die -schwächeren. Digitale Werkzeuge wie Newsela bieten hier Möglichkeiten der Differenzierung, die noch vor kurzer Zeit undenkbar oder nur mit gewaltigem Aufwand zu realisieren gewesen wären.

Eine Anfrage, wann und wie die App auch hier in Deutschland in vollem Umfang (Klassenverwaltungs- und Lehrerfunktionen) genutzt werden kann, ist raus.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 10. Februar 2019

Die Verlage kommen in die Gänge

Spricht man Kollegen, Freunde oder Eltern auf das Thema „Tablets im Unterricht“ an, kommt normalerweise als erste Reaktion: „Super, endlich keine Schulbücher mehr schleppen.“ Leider müssen wir dann oft die Erwartungen enttäuschen, weil die Schulbücher schlicht und ergreifend von den Verlagen nicht digital angeboten werden.

Die gute Nachricht: Genau das ändert sich gerade massiv. Grund dafür ist die Umstellung des bayerischen G8-Lehrplans auf den „LehrplanPLUS“ im Rahmen der Wiedereinführung des G9 im bayerischen Gymnasium. Damit geht auch eine neue Lehrbuchgeneration einher. Die etablierten Verlage nutzen nun die Umstellung zu einer breit angelegten Digitaloffensive. Offenbar ist inzwischen genügend Nachfrage da, um sich mit einem umfangreichen digitalen Angebot gegenüber der Konkurrenz in diesem Markt behaupten zu können. Die Entscheidung über die zukünftigen Lehrbücher treffen schließlich die Kollegien an jeder einzelnen Schule, und die wollen überzeugt werden.

Für das Fach Englisch, das bereits das zweite Jahr (aktuelle Klassen 5 und 6) mit den neuen Lehrbüchern unterrichtet wird, stehen diese inzwischen zur Verfügung. Sowohl Klett („Green Line“) als auch Cornelsen („Access“) sind hier die Marktführer. Grund genug, mal einen Blick auf die beiden Angebote mit Hinsicht auf die Verwendbarkeit in zukünftigen Tabletklassen zu werfen.

Die Fragen nach den Kosten der unterschiedlichen Lizenzmodelle lassen ich hier weg, diese sind bestenfalls für Schulleitungen interessant. Fest steht natürlich, dass für Schüler bzw. Eltern die bisherige Lernmittelfreiheit weiter besteht.

Fangen wir mal mit Cornelsen an. Digitale Lehrbücher vertreibt der Verlag über seine Plattform „Scook“, genutzt werden sie in der gleichnamigen App. Das E-Book der Reihe „Access“ bietet auf den ersten Blick schon mal die Möglichkeiten, die man von einer digitalen Ausgabe eines Papierbuchs erwarten kann: Schnelles Blättern, Durchsuchbarkeit nach beliebigen Wörtern, Lesezeichen, automatisches Öffnen der letztgenutzten Seite, handschriftliches Ergänzen (Stift)/Markieren (Textmarker) und das selektive Löschen der eigenen Einträge. Folgenloses Herumkritzeln im Buch ist also möglich – mal schauen, wie wir diese Möglichkeit später sinnvoll in den Griff kriegen …

Cornelsen_Access

Darüber hinaus schaut es allerdings ziemlich mau aus. Von Interaktivität oder Medieneinbettung keine Spur. Nun gut, Medien sind letztlich wahrscheinlich auch eher im Präsenzunterricht interessant – wer hört sich schon den Lektionstext zu Hause an? – , aber mit der 1:1-Umsetzung eines Papierbuchs ohne weitere Aufbereitung ist hier wirklich gerade mal das Minimum des Erwartbaren umgesetzt. Das Ganze immerhin solide, flüssig, zweckmäßig und auch optisch durchaus ansprechend.

Klett hat mit seinem aktuellen Green Line in der Klett-App darüber hinaus mehr zu bieten. Neben den beschriebenen Grundanforderungen sind auch Hörtexte und kleine interaktive Übungen zum Lektionsinhalt integriert. Medien können in der Klett-App gesondert auch für die Offline-Verwendung heruntergeladen werden.

Klett_Green_Line

Wirklich enttäuschend ist bei Klett im augenblicklichen Entwicklungsstand die Handschriftunterstützung. Mehr als Gekrakel ist hier kaum möglich. Für ein paar Pfeile oder Linien reicht es gerade so, aber vernünftige Arbeit schaut anders aus. Da hat Cornelsen die Nase weit vorne.

Die Voraussetzungen sind jetzt tatsächlich da, um das Papierbuch aus dem Unterricht zu verbannen. Ein entscheidender Schritt allerdings fehlt bei beiden Anbietern noch: Die Split-Screen-Fähigkeit der Apps auf dem iPad. Erst dann könnte rechts das Schulheft und links das Buch benutzt werden. Sind wir wieder auf papiererne Heftführung zurückgeworfen, müssten wir auf wesentliche Vorzüge (1) (2) von Notizen-Apps gegenüber Papier wieder verzichten.

Diese Eindrücke geben natürlich nur den Ist-Stand von Mitte Februar 2019 wieder. Die Funktionalität und die Inhalte der Schulbücher können ständig vom Verlag optimiert und erweitert werden. Punkt für Klett – das Interesse an der kontinuierlichen Weiterentwicklung scheint mir da erheblich ernsthafter zu sein: Die letzte Aktualisierung ist noch nicht mal zwei Wochen alt, bei Cornelsen tut sich seit fast eineinhalb Jahren gar nichts mehr.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 5. November 2018

Klassenarbeiten der Zukunft

Eine Warnung vorweg: Es folgen ein paar noch ziemlich unausgegorene Gedanken zu Klassenarbeiten, in Bayern Schulaufgaben genannt, im digitalen Unterricht. Sie sind also eher Denkanreiz als Konzept, eher Diskussionsgrundlage als Plan für die Zukunft.

Schulaufgaben haben sich seit Jahrzehnten bewährt und liefern – im Gegensatz zu Exen – fast immer sehr aussagekräftige Informationen zum Leistungsstand der Schüler und der Klasse in dem jeweiligen Fach. Deshalb steht ihre grundsätzliche Notwendigkeit bzw. Nützlichkeit nicht in Frage. Eine digitale Anfertigung ist derzeit weder erlaubt noch wirklich sinnvoll.

Denkt man die Digitalisierung des Unterrichts mal in die Zukunft weiter, so gibt es keinen Zweifel, dass Schulaufgaben in den kommenden Dekaden anders aussehen werden. Und zwar ziemlich sicher digital. Verschiedene kleine Bausteine, aus denen sie bestehen könnten, stehen sogar schon heute zur Verfügung. Fünf von ihnen möchte ich hier kurz vorstellen. Die Aufgabe der nächsten zehn Jahre könnte tatsächlich sein, diese Bausteine zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen.

Folgende Überlegungen beziehen sich auf den mir geläufigen Fremdsprachenunterricht, aber ich bin mir sicher, dass andere Fachdidaktiken den Prinzipien zumindest folgen können.

OCR

• Die Umwandlung eines handgeschriebenen Texts in digitalen Text funktioniert bereits verblüffend gut. Wobei es egal ist, ob man handschriftlich auf Papier (einfach abfotografieren oder effizienter als heute einscannen) oder handschriftlich auf einem Tablet schreibt. Computertext ist für viele Korrektur- und Analyseverfahren notwendig.

• Multiple-Choice-Aufgaben zu Hör- oder Textverstehen sind die klassische Domäne elektronischer Systeme. Auch wenn Ankreuz-Prüfungsformen der Ruf nachhängt, recht einfach zu sein, kann ich aus meiner Unterrichtspraxis versichern, dass dem keineswegs so sein muss. Ganz im Gegenteil, der Lehrer kann diese durchaus äußerst komplex gestalten. Für Zuordnungs-, Ausschluss- oder Kategorisierungsaufgaben gilt dasselbe: Die Möglichkeiten sind längst da.

• Lückentexte sind – auf Bairisch gesagt – eh eine gmaahde Wiesn. Der Lehrer muss im Vorfeld ein bisschen überlegen, welche Lösung richtig (1P.), nicht ganz falsch (0,5P.) oder falsch (0P.) ist – das ist aber bereits gelebte Praxis in interaktiven Exen. Kein Problem also. Ganz elegant wäre es natürlich, Lücken handschriftlich auszufüllen, eine OCR-Funktion (siehe oben) läuft drüber und setzt die Buchstaben als Digitaltext ein:
Test-HS

• Ganz futuristisch wird es bei (im Augenblick noch undenkbaren!) Ausspracheübungen. Das gute alte Diktat könnte unter umgekehrten Vorzeichen (der Schüler spricht!) eine Renaissance erleben. Jedes Smartphone und Tablet beherrscht schon heute eine Diktierfunktion in den verschiedensten Sprachen. Warum sollte ein Schüler in einer Schulaufgabe nicht einen vorgegebenen Text auf sein Gerät einsprechen und es wird geschaut, zu wieviel Prozent es zur phonetischen Übereinstimmung mit der Fremdsprache kommt? Die Vorbereitung auf die Sprech-Prüfung muss nicht im Präsenzunterricht geschehen. Technische Unterstützung durch In-Ear-Kopfhörer, ein Mikro mit Nebengeräusch-Unterdrückung, eine eingeübte Programmierung nur auf die eigene Stimme und eine Zeitbegrenzung (alles bereits verfügbar!) könnte in der Zukunft auch in Schulaufgaben das akustische Chaos von 28 gleichzeitig sprechenden Schülern in den Griff kriegen.

• Schülertexte sind also heute schon analysierbar hinsichtlich der Rechtschreibung, der Breite des Wortschatzes (wie viele verschiedene Wörter kommen vor?) und sogar der stilistischen Qualität. Am weitesten in der Entwicklung der Korrekturhilfen ist meiner Erfahrung nach die Autorensoftware Papyrus:

Papyrus

Natürlich sollen die Schüler während des Tests nicht mithilfe dieser Funktionen schreiben. Diese Analysewerkzeuge könnten in eine Software zur Korrekturhilfe integriert werden.

Bald lässt sich mit den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz sicher auch die Textqualität (inhaltliche Stringenz, sinnvolle sprachliche Übergänge, logische Schlussfolgerungen) in einer Weise quantifizieren, die dem bisher vielleicht manchmal auch subjektiven Lehrerurteil gleichkommt – oder dieses sogar übertrifft. Ein erster Schritt ist in Papyrus ebenfalls schon integriert. In fünf farbkodierten Stufen wird die Lesbarkeit eines jeden Absatzes in Prozent angezeigt:

Papyrus - Silanalyse

Eine ganz grundsätzliche Kenntnisnahme dieser Perspektiven würde ich mir natürlich von mebis wünschen, unserer einzig datenschutzrechtlich wasserdichten schulischen Lernplattform hier in Bayern. Dazu müsste man natürlich weg von einem Webdienst hin zu einer App, am besten plattformunabhängig, die allen genannten Anforderungen gerecht würde, sei es Offline-Modus oder die Nutzung der gerätespezifischen Handschrift- und Spracherkennung, langfristig sogar einer integrierten Stilanalyse à la Papyrus. Der Zugriff über einen Webbrowser hat sicherlich keine Zukunft für neu gedachte Prüfungsformate.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 20. Oktober 2018

Hefteinträge früher und heute

Heute nur ein Ultra-kurz-Artikel zum Thema Geografie, verbunden mit einem Arbeitsauftrag an alle, die über zwanzig Jahre alt sind: Vergleicht bitte mal eure eigenen Hefteinträge zum Thema mit diesem hier.Wolken

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 14. Oktober 2018

Das iPad mal sportlich

Auf den ersten Blick scheint das hinten und vorne nicht zusammenzupassen: Was soll ein Tablet in einem Fach, in dem die (häufig auch dringend notwendige) körperliche Betätigung und die Körperbeherrschung im Vordergrund stehen? 

Ganz einfach: Die Videoanalyse der Sportübungen. Eine äußerst engagierte Sportkollegin hat genau das gemacht und alle Möglichkeiten der App Hudl Technique  ausgereizt: Zeitlupe, grafische Illustration und die Seite-an-Seite-Ansicht der Videos zur systematischen Optimierung der Bewegungsabläufe. 

Sport

Sportunterricht wie bei den Profis, der ohne das iPad so nicht möglich wäre. Beeindruckend.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 29. September 2018

Unmittelbares Erleben und Festhalten

Im Physikunterricht der 9. Klasse steht unter anderem das Thema Magnetismus auf dem Lehrplan. Herr Pertl passte diese Einheit kürzlich an die Arbeit mit Tablets an. Nach der üblichen Demonstration des Bestreuens eines Permanentmagneten mit Eisenfeilspänen konnte jeder Schüler den Aufbau abfotografieren (oder alternativ einer und dann das Foto „austeilen“). Die markante Ausrichtung der Späne an den Feldlinien konnte nun von jedem mit dem Stift systematisch nachgezeichnet werden.
Analog dazu illustrierten die Schüler die „Rechte-Hand-Regel“ sowie das Magnetfeld einer Leiterschleife sogar im dreidimensionalen Raum. Was für ein Unterschied in der Herangehensweise im Vergleich zu einem Papier-Physikbuch – es entsteht tatsächlich ansatzweise sogar das Gefühl, im realen Versuchsaufbau „herumzumalen“.

Gerade in den Naturwissenschaften ist das unmittelbare Erfahren wesentlich für das Begreifen von Zusammenhängen. Die selbständige Dokumentation des Gesehenen lässt die Schüler die Erkenntnisse zu einem Teil ihrer eigenen Lernbiografie machen, im Gegensatz zu irgendwelchen standardisierten, vorfabrizierten Abbildungen im Physikbuch. Tablets sind in dieser Hinsicht sicherlich ein erster Schritt dahin, die realen Beobachtungen mit dem Schulbuch/-heft zu verknüpfen und somit die Grenzen zwischen dem eigenen Erfahrungsraum und der häufig trockenen Theorie aufzuweichen.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 7. Juli 2018

Kahoot it!

Ein wesentliches Prinzip unseres Projekts ist von Anfang an die Abwechslung: Auf die besten Programme und Webdienste verlieren auf Dauer ihren Reiz, wenn sie alltäglich werden („Boah, nicht schon wieder …“). Weshalb es durchaus erstaunlich ist, dass wir erst kürzlich ein kleines Werkzeug entdeckt haben, das in vielen ähnlichen Projekten wie unserem zum festen Inventar gehört: Kahoot.

Kurz und bündig ermöglicht dieser Webdienst eine schnelle und unkomplizierte Lernzielkontrolle. Die Lehrkraft sieht innerhalb weniger Minuten, wie viele der Schüler den Stoff bereits verinnerlicht haben.

Als Erstversuch habe ich diese Woche ein Kahoot programmiert, das die wesentlichen Inhalte des dritten Lernjahres Französisch überprüft. Dazu gehört die Verbkonjugation (Futur, Conditionnel, Subjonctif), aber auch Relativ-, Personal- und Demonstrativpronomen.

Konkret sieht das so aus, dass die Schüler nach dem Wer-wird-Millionär-Prinzip immer vier Antworten zur Auswahl haben. Bei mir mussten sie z.B. etwa auswählen, ob „regarderait“ nun Präsens, Futur, Subjonctif oder Conditionnel ist (letztere Antwort ist richtig). Nach jeder Frage wird die erreichte Punktzahl, die auch die Antwortzeit mit einbezieht, der fünf besten Schüler für alle sichtbar angezeigt. Sehr schön, dass die „schlechten“ nicht blöd dastehen, sondern nur ihr eigenes Ergebnis sehen und sich anhand des Gesamtdurchschnitts platzieren können.

Kahoot.png

Eine wesentliche Eigenschaft von Kahoot im Vergleich zu anderen Apps (BookWidgets, Quizlet, Learningapps) ist, dass ihre Anwendung nur im Präsenzunterricht möglich ist, also nicht für die Wiederholung und Vertiefung zu Hause verfügbar ist. Des weiteren können Schüler leider selber keine eigenen Kahoots erstellen und teilen, die Arbeit bleibt also immer am Lehrer hängen. Was andererseits den Vorteil hat, dass sich nur der Lehrer mit einem Account registrieren muss und sich die Schüler mit einem Nickname anmelden, was die Datenschutz-Problematik etwas entschärft.

Eine nette Ergänzung ist übrigens der „Ghost Mode“: Beim zweiten Durchgang sehen Schüler und Lehrer, an welcher Position welche Klassenkameraden bereits in der ersten Runde waren. Spielerei? Natürlich, aber sicher sinnvoll, um erneut einzuschätzen, wo sich die eigenen Kenntnisse im Durchschnitt platzieren. Abgerundet wird Kahoot durch eine durchaus sinnvolle Möglichkeit der persönlichen Bewertung der Aufgabe: Habe ich dadurch was gelernt, fühlte ich mich dabei wohl und würde ich sie anderen empfehlen?

Alles in allem ist Kahoot tatsächlich ein sinnvolles Tool in unserem digitalen Werkzeugkasten. Außerhalb des Notendrucks gibt es individuelles Feedback über den Leistungsstand. Und erfahrungsgemäß bildet es tatsächlich längerfristig ziemlich genau den Notenstand ab, der im Zeugnis sichtbar dokumentiert ist.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 7. Mai 2018

Die öffentliche Wahrnehmung

Die Lesesucht

Auch und vor allem die Jugend betreffend wurde das viele Lesen stark kritisiert. Beneken* argumentiert auf psychopathologischer Ebene. Seinen Beobachtungen nach sei die Jugend „verlohren — ohne Rettung verlohren.“ Weiterhin diagnostiziert er „unüberwindliche Trägkeit, Eckel und Widerwillen gegen jede reelle Arbeit […] ewige Zerstreuung und unaufhörliche Ratlosigkeit der Seele, die nie eine Wahrheit ganz fassen, nie einen Gedanken ganz fest halten kann.“ Dies seien die unvermeidlichen Folgen der Lesesucht.

*Georg Wilhelm Friedrich Beneken, frühes 19. Jhdt. https://de.wikipedia.org/wiki/Lesesucht

An Ostern gab die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, ihre Pläne für Deutschlands Schulen bekannt. Gerade Tablets standen im Mittelpunkt ihrer Umbaupläne.
Die Resonanz auf ihre Äußerungen ließ nicht auf sich warten. Da dieses Thema unser iPad-Projekt direkt betraf, tauchte ich ab in die Kanalisation des Internet: Die Foren der Nachrichtenportale. Trete vor die Bühne der Besserwisser. Der schreienden Experten für alles. Dorthin, wo jeder seine zufällig irgendwann gebildete Meinung zu egal welchem Thema einfach mal rausrotzt, ohne sich mit den Details der jeweiligen Sachlage jemals ernsthaft beschäftigt zu haben.

Hier ein paar Anmerkungen zu den Meinungsäußerungen im Forum zum Beitrag der Welt.de zu diesem Thema.

 
1Mir ist in all den Jahren noch kein Fall zu Ohren gekommen, in denen ein Tablet in der Schule beschädigt wurde.

Ein iPad in der Normalgröße ist nur unwesentlich kleiner als eine Schulbuchseite und hat den riesigen Vorteil, dass man Teile der Seite vergrößern kann.

Den Sonnenschutz gibt es bereits, er heißt Außenjalousie. Netzteile brauchen wir auch nicht, die Schüler kommen mit voll geladenen Geräten, die Akkus halten auch nach drei Jahren noch locker sieben Stunden oder mehr. Probleme mit leeren Akkus haben wir im Zeitalter der USB-Zusatzakkus praktisch keine. Weniger jedenfalls als mit vergessenen Heften in Papierklassen.

Einen Schulserver brauchen wir auch nicht, entscheidend ist allerdings leistungsfähiges W-LAN und ein schneller Internetzugang.

 

 

 

2.png

Doch, aktuell für 349,- Euro + 99,- Euro für einen Stift. Ja, auch die Microsoft- und Samsungstifte arbeiten sehr schön. Kosten auch ähnlich viel.

Updates gibt es bei Apple vier bis fünf Jahre lang. Das aktuelle iOS 11.3 läuft z.B. noch auf einem iPad Air von 2013.

Custom-ROM ist wohl irgendein Hack. Nix für mich, nix für uns in der Schule.

Akkus leben ziemlich lang, siehe oben. Laptop-Funktionen haben wir bisher nicht vermisst – ganz im Gegenteil: Die Tastatur-Maus-Zentrierung dieser Geräte verhindert eher den intuitiven Umgang mit den Inhalten.

Die Laptop-Tablet-Hybride (Convertibles) sind außerdem zu schwer und zu teuer für unsere Zwecke.

Ihre Enttäuschung mit dem iPad betrübt mich, sie stehen halt leider ziemlich alleine da.

 

 

3.png

Bei kurzfristigen Stromausfällen würde höchstens der Beamer ausfallen, die Tablets arbeiten mit Akkus. Bei längeren Stromausfällen (ein sehr theoretischer Fall!) hätten wir ganz andere Probleme.

Unsere Schüler reden, schreiben und rechnen übrigens auch ganz ohne Stromantrieb. Ihre Hände wirken nach einer flüchtigen Kontrolle während des Unterrichts augenscheinlich nicht verformt, systematisch überprüft habe ich das allerdings nicht.

Zum Optiker: In unserem Unterricht wird nicht stundenlang nur aufs Display gestarrt. Dass das Display schädlicher als Buch und Heft sein soll, ist wissenschaftlich nicht nachweisbar. Stundenlanges Sitzen ist sehr schlecht, war aber schon immer so. Alternative Vorschläge sind aber willkommen.

In unserer Schule wurden meines Wissens noch nie Schränke gebaut.

 

 

4.png

Der Punkt „Gewicht des Schulranzens“ hat sich nach vielen Elterngesprächen tatsächlich als wichtiger erwiesen, als wir Lehrer das so glaubten.

Die Entlastung der Schülerrücken ist bereits jetzt Realität: Das Tablet ersetzt einen ganzen Schwung von Haus- und Schulheften, den Atlas, Stifte, Tippex, Schere etc. Alleine die Stiftsammlung in OneNote würde kaum in einen ganzen Ranzen passen.

Die Erleichterung wird mit der neuen Lehrbuchgeneration noch deutlich spürbarer, die Bücher für den neuen G9-Lehrplan sind von den meisten Verlagen in ihren Apps digital verfügbar. Die jetzigen Fünfklässler in Bayern können demnächst auf noch erheblich leichtere Schulranzen hoffen.

 

 

 

 

 

5.png

Nein, „brauchen“ tun sie das nicht. Möglicherweise noch nicht mal zum Lernen. Vielleicht auch keine Tafel, kein Heft oder sogar keine Bücher – jeder lernt anders.

Lernen war immer „Schnick-Schnack“: Papier, Stift, Tafel, Tageslichtprojektor … Wir nennen das übrigens „Lernmittel“.

Mit Stift, Papier, Zirkel und Lineal arbeiten auch unsere Schüler und lesen „normale“ Bücher. In den Tabletklassen ab der Mittelstufe dann vielleicht etwas weniger mit Zirkeln in Papierbüchern.

Klassischer Whataboutism: Gibt’s nicht wichtigere Probleme? In den Schulen steht zur Zeit zurecht die Digitalisierung im Fokus, und darum kümmern wir uns. In unserem kleinen Bereich. Wie alle anderen Branchen in ihrem auch.

 

 

 

6.pngUnsere Mittelstufler kommen aus der Grundschule und gymnasialen Unterstufe und bringen Lesen/Schreiben/Rechnen bereits mit. Wir entwickeln diese Fertigkeiten dann weiter, auch mit digitalen Möglichkeiten.

Der Verweis auf Studien hat ohne Hintergrund (Wer? Wann? Wo? Methodik? Veröffentlichung? Rezeption? Finanzierung?) in Diskussionen keinerlei Relevanz.

Gerade Erarbeiten und Selbermachen ist mit unseren digitalen Infrastruktur in einem vorher nicht denkbaren Rahmen möglich geworden.

Mit „Hat es uns geschadet“ haben mir gegenüber schon ältere Herrschaften physische Gewalt in der Schule, also Tatzen, gerechtfertigt.

 

 

Mir ist bereits wiederholt aufgefallen, dass Menschen das Bildungssystem, in dem sie selbst großgeworden sind, im Nachhinein als das „allerbeste“ bezeichnen. Es hat ja schließlich so großartige Menschen wie sie selber hervorgebracht. Danach ging es bei jeder Umstellung und Neuerung nur noch bergab – alle immer blöder und die Standards immer niedriger. Und das seit hunderten von Jahren.

Kann man so sehen und sogar Geld damit machen: Manfred Spitzer (sehr lesenswerter Artikel übrigens!) lebt davon. Nur tut man unseren Kindern damit keinen Gefallen. Schade, Chance vertan.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 22. April 2018

Bildbasiertes Geschichtenerzählen reloaded: Emojis im Englischunterricht

Nach inzwischen tatsächlich schon fünf Jahren wird es Zeit für eine kleine Rückschau anhand eines Beitrags vom Februar 2013.

Damals wie heute geht es um dieselbe Übung aus unserem Lehrbuch, nämlich um eine Reihe von Textfragmenten, die von den Schülern in vollständigen Text umgesetzt werden soll. In dieser Einheit geht es um den vom Deutschen abweichenden Gebrauch der englischen Artikel. Es empfiehlt es sich, die Übung zunächst im Klassenrahmen ein- oder zweimal ganz klassisch durchzugehen. Das Ziel in der Vertiefungsphase ist es nun, den kompletten Text ohne die Textvorlage vorzulesen, nur anhand der eigenen Notizen – die allerdings keine geschriebenen oder getippten Buchstaben oder Zahlen enthalten dürfen.

Unser Arbeitsumfeld hat sich inzwischen weitgehend von Notability in Verbindung mit Mebis (Moodle) hin zu OneNote verschoben. Im Vergleich zu vor fünf Jahren ist die Nutzung von Emojis im Leben unserer Schüler natürlich massiv angestiegen, weshalb es mich nicht überraschte, dass sie sich Schüler weit überwiegend – ohne Arbeitsanweisung zur Umsetzung – sofort auf diese stürzten. Auch die Zeichnungen sind inzwischen erheblich detailgenauer und liebevoller; kein Wunder, benutzt doch die Mehrzahl inzwischen den Apple Pencil. 

Emojis

Wie so häufig hat mich der Einfallsreichtum der Schüler verblüfft: Als Merkhilfe für „Cameron“ wurde eine Kamera benutzt, drei Hände für die Zahl 15 oder ein Spiegelei für „Ich“ (genau, „I“ …)

Wer rausfindet, wie der Hirsch zu „Dear Thomas“ passt, bitte eine Nachricht in den Kommentaren hinterlassen.

Verfasst von: Gerhard Piezinger | 3. März 2018

Ungewohnt neuvertont

Wieder eine neue Idee, die im Gespräch mit Kollegen entstanden ist: Statt dem rein passiven Anschauen von Erklärvideos – was natürlich punktuell durchaus nützlich sein kann, sei es im Unterricht oder beim „Flipped Classroom“ – oder dem Filmen und Nachvertonen z.B. eines Versuchs durch die Schüler kann man

  • das Videomaterial auch aus dem Internet (YouTube, Vimeo) holen,
  • die akustische Erklärung aus dem „Off“ stummschalten,
  • das stumme Video den Schülern bereitstellen
  • und neu besprechen lassen.

Das Endergebnis ist meist dann doch erheblich anschaulicher und professioneller.

Neuvertonung.png

Natürlich überspringt diese Methode die Vorteile, die sich bei einer völlig freien Produktion eines Lernvideos ergeben: Die eigene Strukturierung und somit Durchdringung des Stoffs, also die Reduktion des Inhalts auf das Wesentliche, sowie die Fragen nach der grafischen Gestaltung.

Andererseits sind diese Aspekte sicherlich nicht in jeder Unterrichtssituation wirklich wesentlich, zumal sie einen entscheidenden Nachteil haben: Sie sind äußerst zeitintensiv. Kosten also Zeit, die im Unterricht oder bei den Hausaufgaben letztlich fehlt – ein Aspekt, den Lehrer gerade im G8 immer auch im Blick behalten sollten, haben wir doch alle nur 24 Stunden Zeit am Tag. Viele Inhalte in den verschiedenen Fächern profitieren also  von der strukturellen und grafischen Unterstützung.

Interessant wird, wie unsere Schüler diese Aufgabenstellung angehen. Bei komplexeren Inhalten wird es sicher nötig sein, auch das Originalvideo bereitzustellen. Auch wenn man bei einfacheren Beschreibungen davon ausgehen muss, dass die Schüler das Originalvideo samt Tonspur finden, ergibt sich beim zwangsweise selbstständigen Einsprechen ein Lerneffekt.

Technisch reichen für die Umsetzung auf einem iPad tatsächlich die Bordmittel: Man „filmt“ mit der eingebauten Bildschirmaufnahme im Kontrollzentrum (Wisch vom unteren Bildschirmrand) das Video im Vollbild, exportiert es in iMovie, beschneidet Anfang und Ende und löscht die Tonspur (Lautsprechersymbol links oben). Das fertige Video landet automatisch wieder in „Fotos“ und kann jetzt einzelnen Schülern, ganzen Gruppen oder der ganzen Klasse bereitgestellt werden.

Allerdings Vorsicht: Die so selbsterstellten Videos dürfen aus Urheberrechtsgründen nicht länger als fünf Minuten sein und natürlich nicht außerhalb des Klassenzimmers und schon gar nicht auf Videoplattformen veröffentlicht werden.

Soweit die Idee – wir werden über die Umsetzung weiter berichten!

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