Mitte März: Die Schulen werden geschlossen. Ohne Vorwarnung. Digitaler Fernunterricht von heute auf morgen. 1,2 Millionen Schüler/innen und 95.000 Kolleg/innen in 55.000 Klassen in 4.500 bayerischen Schulen wurden mit wenigen Ausnahmen ins kalte Wasser geworfen. Kein Wunder, dass unsere offizielle Lernplattform mebis unter dem Ansturm schon am ersten Tag in die Knie ging und mehrere Wochen nur phasenweise und somit kaum sinnvoll nutzbar war.
Das Kultusministerium gab in dieser schwierigen Situation überraschenderweise unverzüglich die Nutzung von Microsoft 365 (damals Office 365) für staatliche Schulen frei. In den Augen vieler Kollegen ein längst überfälliger Schritt, den die meisten anderen europäischen Länder längst vollzogen hatten.
Natürlich standen viele Lehrer/innen, die eine ernsthafte Integration digitaler Medien in den Präsenzunterricht oder unterrichtsbegleitend bisher jahrelang vor sich her geschoben hatten, jetzt erst einmal vor der Wahl, sich in die eine oder die andere Plattform einzuarbeiten.
Die Funktionalitäten von Teams und mebis überschneiden sich tatsächlich in gewissen Punkten, in vielen anderen aber kann keine der beiden die andere wirklich ersetzen, wenn man im digitalen Unterricht eine möglichst große Auswahl an Methoden und Möglichkeiten nutzen will.

Unschlagbar ist Teams bei der Kommunikation innerhalb von Lerngruppen, die in Videokonferenzen, Einzel- und Gruppenchats in Echtzeit erfolgen kann. Das liegt im Wesentlichen daran, dass Teams eine App und mebis nur eine Webplattform ist. Teams ist in seiner Funktionalität schon sehr nahe an Messengerdiensten wie WhatsApp und somit unseren Schülern völlig geläufig. mebis, das Kommunikation nur über E-Mail abbilden kann, ist da hoffnungslos unterlegen. Die Integration der Videokonferenz-Software BigBlueButton in mebis, über die es bislang nur vage Gerüchte gibt, wäre natürlich ein gewaltiger Schritt nach vorne.

Ähnlich ist es mit dem Austeilen, Einsammeln, Korrigieren und Zurückschicken von schriftlichen Arbeitsaufträgen. In Kombination mit OneNote-Kursnotizbüchern erreicht Teams eine Effizienz, die meines Wissens von keiner anderen Plattform geboten wird. Es entfällt jedes Dateihandling, jedes „Abgeben“, „Einsammeln“ oder „Austeilen“, es wird einfach nur gearbeitet.
Ein sehr vielversprechender Ansatz findet sich dazu auch auf mebis (Aktivität „Aufgabe“), die ebenfalls den Umgang mit Dateien überflüssig macht und die handschriftliche Korrektur von PDFs erlaubt. Durch die Beschränkung der Bedienung der Weboberfläche im Browser erreicht diese Funktion allerdings bei Weitem nicht die Eleganz der MS365-Lösung.
Gleichstand in Sachen Funktionalität und Nutzerfreundlichkeit erreichen beide Plattformen bei den zur Verfügung stehenden Kalendern, der Einrichtung und Verwaltung getrennter Gruppen und bei der Nutzung von Foren. Wobei die „Foren“ von Teams eher mit WhatsApp-Gruppen vergleichbar sind, also kaum eine komplexere Struktur zulassen. Da hat mebis mit seiner Webforen-typischen Darstellung die Nase vorn. Der größte Vorteil von mebis ist hier sicherlich, dass sich Beiträge bearbeiten/korrigieren und vom Lehrer löschen lassen.
Bei Teams ist überhaupt die Arbeit im Wesentlichen chronologisch strukturiert. Die Aufgliederung in Kanäle zu bestimmten Einzelthemen ist ein kleiner Ansatz zur Ordnung nach thematischen und inhaltlichen Kriterien, erreicht aber bei Weitem nicht das Niveau eines echten LMS (Learning Management System). Für die Ablage von Dateien gibt es nur die Auswahl zwischen einem Anhang im Chat oder in einem etwas angestaubt wirkenden klassischen Dateisystem mit Verzeichnissen und Unterverzeichnissen, was 2020 sehr enttäuschend ist: Keine Zwischenüberschriften zur Strukturierung, keine Informationen zur Datei außer dem Dateinamen, keine Möglichkeit zur mehrmaligen Verknüpfung an anderen Stellen.

Der größte Vorteil von mebis ist die Integration von interaktiven Elementen. Wikis, Tests, interaktive Übungen mit H5P, Glossare, Abstimmungen – all diese zentralen Möglichkeiten von digitalem Lernen sind auch durch extensive Verlinkungen auf Angebote im Web nicht zu organisieren. Ein Beispiel für das strukturierte Zusammenspiel all dieser Aktivitäten habe ich bereits an anderer Stelle beschrieben.

Natürlich hat so eine Gegenüberstellung etwas von Äpfel und Birnen: Teams hat seine Wurzeln in der Koordinierung von Projekten in großen Unternehmen und Organisationen. mebis ist eine Lernplattform, maßgeschneidert für die Begleitung des Präsenzunterrichts. Reinen Fernunterricht können beide notwendigerweise nicht zu 100 Prozent abdecken. Mein Traum wäre eine vollwertige mebis-App, die auch Systemfunktionen wie Handschriftunterstützung, das Teilen zwischen Apps und die Mitteilungsfunktion nutzen kann.
Die Kernanforderungen – (Echtzeit-)Kommunikation einerseits, Struktur und Interaktivität andererseits, das ist in der aktuellen Situation nur in einer Kombination aus beiden zu erreichen.