Verfasst von: Gerhard Piezinger | 1. Oktober 2019

Classcraft

Das 4K-Modell des Lernens, die veränderte Rolle des Lehrers, der Leitmedienwechsel, selbstgesteuertes Lernen: Alles zentrale Aspekte im derzeitigen digitalen Umbruch des schulischen Lernens. Aspekte und Denkansätze, die überhaupt erst eine Orientierung bei der Frage ermöglichen, wo wir überhaupt hinwollen, wie wir das machen und was wir bereits jetzt davon wie umsetzen.

Im Schatten dieser faszinierenden Leitfragen will ich ein kostenloses Spielchen für die ganze Klasse vorstellen, welches das schulische Lernen so überhaupt gar nicht neu definiert. Classcraft hilft aber bei den täglichen, kleinen und oftmals lästigen Alltagsdingen vor der Klasse: Hausaufgaben-Strichliste, Tafel sauber, Vulgärsprache, Störungen aller Art, Motivation zur Mitarbeit. Das hat alles nichts mit Unterrichtsentwicklung oder Lernen im engeren Sinn zu tun, sondern bezieht sich rein auf die Rahmenbedingungen, die als Voraussetzungen für jegliche gemeinsame Arbeit einfach sichergestellt sein müssen. (Insofern hat es dann natürlich doch etwas mit Lernen zu tun, weil es die Grundlagen dafür schafft.)

Classcraft

Aber von vorne: Classcraft lehnt sich in der grafischen und inhaltlichen Gestaltung an Fantasy-Spiele an, also Rollenauswahl zwischen Krieger, Zauberer und Heiler, individuelle Gestaltung der Spielfigur, Teams innerhalb der Klasse, Gesundheits-, Aktions- und Erfahrungspunkte, Erwerb von „Kräften“, überraschende Ereignisse – bei mir am Stundenanfang – sowie Belohnungen bei speziellen Quests.

Kernaspekt des Spielverlaufs, der sich über das ganze Schuljahr ziehen kann, ist der Punktgewinn und -abzug im Unterrichtsverlauf. Sich einbringen (dreimal in Folge melden, Zusatzmaterial zu Unterrichtsinhalten vorstellen, eigene Ideen entwickeln, interessante Fragen stellen, herausragende Hefteinträge, Kommunikationsverhalten), all dies wird mit Erfahrungspunkten belohnt. Erfahrungspunkte (XP) können auch nicht mehr abgezogen werden und erlauben beim Erreichen einer neuen Stufe zusätzliche Ausrüstung und „Kräfte“.

Bei den üblichen „Vergehen“ (Hausaufgaben vergessen, unangemessene Beiträge oder störendes Verhalten) werden Gesundheitspunkte abgezogen. Schüler innerhalb eines Teams können sich gegenseitig gegen die Maßnahmen des Lehrers schützen, was aber Punkte kostet, die wieder herein gearbeitet werden müssen.

Dazu kommt das Erlernen von bestimmten „Kräften“, die einem gewisse Privilegien sichern können: Fünf Minuten eher in die Pause gehen, eine Woche lang Platz mit einem beliebigen Mitschüler tauschen, einmal Hausaufgaben nicht machen etc. Ob sich die Kraft  „einen Extrapunkt bei einer Stegreifaufgabe“ mit den Leitlinien zur Leistungserhebung in den modernen Fremdsprachen in Einklang bringen lässt, da muss ich noch mal nachschauen.

Witzigerweise lassen sich auch Zugänge für die Eltern anlegen. Diese dürfen ihrem Nachwuchs dann auch für heimische Tätigkeiten (Hilfe bei Garten- oder Hausarbeiten? Zimmer aufräumen? Eine Stunde ohne Spielkonsole?) eine begrenzte Anzahl an Erfahrungspunkten zukommen lassen.

Das Spiel kann übrigens auch völlig außerhalb des Präsenzunterrichts in „analogen“ Klassen gespielt werden. Es reicht, wenn die Schüler die App fürs Smartphone alle paar Tage mal checken.

Natürlich stehen meine Erfahrungen nach zweieinhalb Wochen Einsatz noch am Anfang, die Klasse scheint Classcraft bisher aber recht ernst zu nehmen. Wie bei allen digitalen Werkzeugen und Verfahren gilt: Ich werde den Verlauf des Versuchs recht genau begleiten und schauen, ob es einen konstruktiven Beitrag zum Unterrichtsverlauf leistet.

Und selbst wenn nicht, aber allen Beteiligten einfach nur Spaß macht?

Im Augenblick stehen alle Zeichen auf Weitermachen.


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