Verfasst von: Gerhard Piezinger | 27. Oktober 2013

Eine ganze Stunde

Eine Schulstunde dauert 45 Minuten. Bisher wurden in diesem Blog aber nur Einzelsequenzen beschrieben, nie der komplette Ablauf einer richtigen iPad-Schulstunde – das wird jetzt nachgeholt!

Die beschriebene Englischstunde fand Mitte Oktober in der beschriebenen Form statt. Anlass war der Besuch eines Teams der externen Evaluation, die unsere Schule derzeit genauer unter die Lupe nimmt und uns bei der Optimierung unseres Unterrichts durch den Blick von außen unterstützt. Eine Besonderheit war, dass nur die Hälfte unserer Schüler anwesend waren, also nur acht – die andere Hälfte war auf Besinnungstage.

In der Stunde stand die Einführung eines neuen Textes an, eines recht schwierigen noch dazu. Als wesentlich bei einer Neudurchnahme hat sich erwiesen, dass die neuen Vokabeln bereits vorher sitzen, damit man sich auf den Inhalt konzentrieren kann. Deshalb hatten die Schüler als Hausaufgabe auf, die neuen Vokabeln des Lektionstextes zu lernen. Da alle neuen Wörter auf einmal zu viel gewesen wären, hatte ich mich dazu entschlossen, den Schülern die einfacheren und/oder bereits bekannten Wörter in einem eigenen Kartenstapel auf Quizlet.com bereitzustellen. Diese wurden also in der Vorstunde bereits heruntergeladen und konnten nun auf die Stunde gelernt werden; die anspruchsvolleren Wörter würde ich dann in der Stunde einführen.

Es konnte also losgehen!

Abfrage der Vokabeln

Zunächst habe ich die neuen, zu lernenden Wörter abgefragt. Dazu schien mir ein spielerischer Ansatz sinnvoll: Ich spiegelte meine Vokabel-App auf den Beamer und fragte alle Schüler reihum nach der englischen Entsprechung des jew. deutschen Wortes. Wusste ein Schüler das Wort nicht, musste er jetzt zwei weitere Wörter fehlerfrei wissen, damit es weiterging.

Besprechung der Hausaufgabe

Die Besprechung der Hausaufgabe erfolgte dann im Unterrichtsgespräch, gestützt durch die Projektion der Schülerergebnisse auf dem Beamer via AirPlay. Aus der Vorstunde, in der es um Sprachmittlung ging, hatte sich eine Hausaufgabe zu Anglizismen (aus dem Lehrbuch) ergeben. Die Schüler sollten sich zu Begriffen wie Livesendung, Discounter, Hardware, Mainstream und  anderen überlegen, ob es dazu deutsche Alternativen gibt und ob diese praktikabel sind. Dies wurde natürlich, wie immer bei Hausaufgaben, in handschriftlicher Form eingefordert. Den Abschluss der Hausaufgabenbesprechung bildete eine kleine Umfrage, die wiederum einen Gesprächsanlass zu Sinn und Unsinn von Anglizismen im Deutschen lieferte:umfrage

 Einführung eines neuen Textes

Dann der eigentliche Beginn der Neudurchnahme des Lehrbuchtextes. Es geht darin um die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in Dritte-Welt-Ländern durch die Sportbekleidungsindustrie. Da die Schüler zu dem recht komplexen Thema Globalisierung zudem in der Fremdsprache vermutlich (?) nicht viel beitragen würden, ging es gleich an die Vokabelerarbeitung – diesmal bei geschlossenen Geräten. Dazu projizierte ich, wie bereits früher beschrieben, eine Zuordnungsübung auf den Beamer:

new words

Im Unterschied zum individualisierten Erarbeiten mussten die Schüler mir diesmal reihum Wortpaare nennen und – ganz wichtig! – begründen, warum sie glaubten, dass genau diese beiden Wörter zusammengehören. Die richtigen Paare habe ich dann auf dem Projektor stehen lassen, um das Verständnis des sehr langen und schwierigen Textes zu erleichtern.

Nach dem gemeinsamen Lesen der ersten beiden Abschnitte und kleineren Fragen zur Verständnissicherung mussten die Schüler dann in Zweiergruppen die Textstruktur, wieder mit einer Learningapp, nachbilden. Jetzt war es ihre Aufgabe, die Kurzzusammenfassungen der folgenden Absätze mithilfe einer „Pinnwand” in die richtige Reihenfolge zu bringen:

pinnwandAufgrund der Schwierigkeit des Textes dauerte die Erschließung der Absätze in Partnerarbeit etwa eine Viertelstunde, die Stunde neigte sich inzwischen dem Ende zu. Als Hausaufgabe auf die Folgestunde mussten die Schüler nun den Abschnitten die Zeilennummern im Lehrbuchtext zuordnen sowie die neuen, in der Stunde erarbeiteten Vokabeln individuell in den bereits bestehenden „Rumpf-Kartenstapel“ nachtragen und lernen. Mein Plan für die Folgestunde war es, die verbliebenen Absätze nach gleichem Muster in kurzen Sätzen zusammenfassen zu lassen.

Ich glaube, an diesem Beispiel werden die grundsätzlichen Fragestellungen bei der Unterrichtsplanung in einer iPad-Klasse recht deutlich: Ausgehend vom Stundenziel (hier: „Der neue, sehr schwierige Text soll verstanden und strukturiert werden”) liegt es nun am Lehrer, die Werkzeuge auszuwählen. Neben die traditionellen Entscheidungen über Arbeits- und Sozialformen (Tafel oder Folie? Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit?) treten nun beim Einsatz von iPads weitere Fragen:

  • Soll die Partner- oder Gruppenarbeit im realen Raum (Klassenzimmer) oder im digitalen (Lernplattform) erfolgen?
  • Können die Schüler individuell arbeiten und ihr Ergebnis im Anschluss den anderen vorstellen?
  • Welches Arbeitsmaterial (Arbeitsblätter, interaktive Übungen) setze ich wann am sinnvollsten ein?
  • Ist eine Aufgabe so gestellt, dass die anderen von einer Lösungspräsentation am Beamer profitieren?
  • Soll ein Schüler die Aufgabe ohne Vorbereitung den anderen vorführen („laut denken”)?
  • Soll die Erarbeitung im Klassenzimmer oder zu Hause erfolgen?
  • Wann ist die Vorgabe der Arbeitsweise (mündlich, handschriftlich, kollaborativ, kreativ …) überhaupt nötig bzw. sinnvoll?
  • Wie bringe ich die analoge Welt (hier: Text im Buch) mit der digitalen in Verbindung?
  • Wie schöpfe ich den Mehrwert an Übungs- und Wiederholungsmaterial optimal aus?
  • Wie stellt man sicher, dass wirklich jeder arbeitet – Stichworte digitales Kopieren bzw. Fremdbeschäftigung?

Diese Fragen umreißen den Kern der täglichen Arbeit in unserer iPad-Klasse. Dabei gehört eine Neudurchnahme eines Textes sicher zu den anspruchsvolleren Einsatzgebieten im Fremdsprachenunterricht. Vielleicht inspiriert oben beschriebenes Vorgehen ja die ein oder andere Lehrkraft, es selber mal auszuprobieren.


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